Die Schweiz verpflichtete sich im Oktober 2014 im sogenannten Unternehmenssteuerdialog mit der EU, sich bei der Besteuerung an den internationalen Standards der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auszurichten und umstrittene privilegierte Steuerregimes abzuschaffen.
Bundesrat und Parlament wollten diese Verpflichtungen mit der «Unternehmenssteuerreform III» (USR III) umsetzen, die verschiedene steuer- und finanzpolitische Massnahmen enthielt. Im Jahr 2017 hat das Schweizer Stimmvolk die Vorlage verworfen. Trotz des Scheiterns der USR III muss die Schweiz die privilegiert besteuerten Gesellschaften abschaffen. Der Bundesrat hat deshalb umgehend nach der Abstimmung über die USR III mit der Ausarbeitung einer neuen Vorlage, der sog. «Steuervorlage 17» begonnen und bereits im März 2018 die Botschaft und den Gesetzesentwurf verabschiedet. Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen hat der Ständerat im Juni 2018 in der Steuervorlage 17 einen sozialpolitischen Ausgleich zugunsten der AHV im Umfang von CHF 2 Mia. eingefügt. Die Vorlage heisst deshalb neu «Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung» (STAF). Der Nationalrat ist den Beschlüssen des Ständerats weitgehend gefolgt und beide Räte haben die STAF am 28. September 2018 in der Schlussabstimmung angenommen. Gegen die STAF wurde das Referendum ergriffen. Soweit zurzeit bekannt, ist dieses zustande gekommen. Die Volksabstimmung findet voraussichtlich am 19. Mai 2019 statt. Die Inkraftsetzung der STAF und die Umsetzung durch die Kantone ist auf den 1. Januar 2020 vorgesehen. Die bundesrechtlichen Regelungen finden ab diesem Zeitpunkt in den Kantonen direkt Anwendung, falls diese ihre kantonalen Gesetze noch nicht angepasst haben.
Die STAF sieht folgende wesentlichen Elemente vor:
- Abschaffung spezifischer Steuerregimes: Bei den Kantons- und Gemeindesteuern werden die privilegiert besteuerten Gesellschaften (Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften) abgeschafft. Von der Abschaffung der Steuerregimes ist die indirekte Freistellung der Beteiligungserträge bei Kapitalgesellschaften nicht betroffen (Beteiligungsabzug durch Kürzung der Gewinnsteuern).
- Patentbox: Die Kantone sollen (obligatorisch) eine Patentbox einführen. Diese sieht die reduzierte Besteuerung von Erträgen aus Patenten sowie mit Patenten vergleichbaren Rechten vor, die auf Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in der Schweiz zurückzuführen sind. Die Bedingungen für die Patentbox werden gesetzlich konkretisiert. Die Höhe der Steuerentlastung können die Kantone selbständig bestimmen. Sie darf aber 90 Prozent nicht übersteigen. Die Patentbox kann sowohl von juristischen Personen als auch von selbständig Erwerbstätigen beansprucht werden.
- Erhöhte Abzüge für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen: Bei den Kantons- und Gemeindesteuern sollen erhöhte Abzüge für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, die im Inland entstanden sind, eingeführt werden können. Der zusätzliche Abzug darf sich auf höchstens 50 Prozent der Aufwendungen belaufen.
- Abzug für Eigenfinanzierung für Kantone mit einer gewissen Mindeststeuerbelastung: Bei den Kantons- und Gemeindesteuern soll für Kapitalgesellschaften ein kalkulatorischer Zinsabzug eingeführt werden. Der abzugsfähige Zinsaufwand wird auf dem Teil des Eigenkapitals, der das für die Geschäftsführung langfristig benötigte Eigenkapital übersteigt (dem Sicherheitseigenkapital), berechnet. Von der Massnahme betroffen sind somit Unternehmen mit einem hohen Eigenkapitalanteil. Der Abzug soll jedoch nur in sogenannten Hochsteuerkantonen eingeführt werden und wird voraussichtlich nur im Kanton Zürich Anwendung finden.
- Entlastungsbegrenzung: Die maximale steuerliche Entlastung bei den Kantons- und Gemeindesteuern soll 70 Prozent des steuerbaren Gewinns vor Ermässigung durch Patentbox, Abzüge für Forschung und Entwicklung sowie Abzug für Eigenfinanzierung nicht übersteigen. Falls auf den Status als privilegiert besteuerte Gesellschaft (Holding-, Domizil- oder gemischte Gesellschaft) vor Inkrafttreten der STAF freiwillig verzichtet wird, sind auch die Abschreibungen auf den im Zuge des Statuswechsels aufgedeckten stillen Reserven bei der Berechnung der Entlastungsbegrenzung mitzuberücksichtigen.
- Teilbesteuerung: Bei der Besteuerung von ausgeschütteten Gewinnen bei natürlichen Personen werden die Mindestansätze angehoben: Dividenden aus qualifizierenden Beteiligungen (mindestens 10 Prozent) werden bei der direkten Bundessteuer zu mindestens 70 Prozent besteuert. Bei den Kantons- und Gemeindesteuern werden solche Dividenden zu mindestens 50 Prozent besteuert. Zudem soll eine einheitliche Methode für die privilegierte Besteuerung gelten. Die Kantone, die das Teilsatzverfahren anwenden, sollen deshalb zur Teilbesteuerung übergehen.
- Erleichterungen bei der Kapitalsteuer: Die Kantone können bei den Kantons- und Gemeindesteuern eine Entlastung für jenen Teil des Eigenkapitals vorsehen, der im Zusammenhang mit Beteiligungen, Patenten und vergleichbaren Rechten sowie konzerninternen Darlehen steht.
- Einführung einer Rückzahlungs- und Teilliquidationsregel beim Kapitaleinlageprinzip für an schweizerischen Börsen kotierte Unternehmen: Das Kapitaleinlageprinzip wird bei Gesellschaften, die an schweizerischen Börsen kotiert sind, eingeschränkt. Dabei wird eine Rückzahlungs- sowie eine Teilliquidationsregel eingeführt. Beide Regeln funktionieren nach dem Proportionalitätsprinzip. Nach der Rückzahlungsregel darf eine Gesellschaft nur noch Kapitaleinlagereserven steuerfrei zurückzahlen, wenn sie in gleicher Höhe steuerbare Dividenden ausschüttet. Andernfalls ist die Rückzahlung der Kapitaleinlagereserven teilweise steuerbar. Von der Rückzahlungsregel bestehen unter gewissen Voraussetzungen Ausnahmen für Reserven aus Kapitaleinlagen, die nach dem 24. Februar 2008 im Rahmen eines Zuzugs oder der Verlegung von Vermögenswerten in die Schweiz entstanden sind. Nach der Teilliquidationsregel wird im Rahmen des Rückkaufs eigener Aktien der Liquidationsüberschuss mindestens zur Hälfte den Kapitaleinlagereserven belastet.
- Aufdeckung stiller Reserven bei Wegfall des kantonalen Steuerstatus (Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften): Die im Zeitpunkt des Wegfalls des kantonalen Steuerstatus bestehenden stillen Reserven, einschliesslich des selbst geschaffenen Goodwills, werden von der Veranlagungsbehörde mittels Verfügung festgesetzt. Werden sie innert 5 Jahren realisiert (effektiv, buchmässig oder steuersystematisch), werden sie, soweit sie bisher nicht steuerbar gewesen wären, gesondert besteuert. Werden die stillen Reserven (inkl. Goodwill) erst später realisiert, unterliegen sie der ordentlichen Gewinnbesteuerung.
- Pauschale Steueranrechnung: Es wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen, damit die pauschale Steueranrechnung auch von schweizerischen Betriebsstätten ausländischer Unternehmen in Anspruch genommen werden kann.
- Vermögensertrag aus Transponierung: Die minimale Qualifikationsquote von 5 Prozent bei der Transponierung wird aufgehoben. Die Einschränkungen der Transponierung kommen somit künftig bei jedem Verkauf von Beteiligungsrechten an eine vom Verkäufer kapitalmässig beherrschte Gesellschaft zur Anwendung. Eine lediglich stimmrechtmässige Beherrschung führt auch weiterhin nicht zur Annahme einer Transponierung.
Nebst diesen steuerpolitischen Massnahmen enthält die STAF – wie bereits die USR III – auch finanzpolitische Massnahmen:
- Ausgleich zwischen Bund und Kantonen: Der Anteil der Kantone an den Einnahmen der direkten Bundessteuer wird von 17,0 auf 21,2 Prozent erhöht werden. Die Städte und Gemeinden müssen auch berücksichtigt werden.
- Anpassungen zwischen den Kantonen: Im Finanzausgleich werden heute die Gewinne der Statusgesellschaften tiefer gewichtet als die übrigen Gewinne, um der tieferen Besteuerung dieser Statusgesellschaften Rechnung zu tragen. Mit der Abschaffung der privilegiert besteuerten Spezialgesellschaften fällt diese tiefere Gewichtung weg.
- Befristeter Ergänzungsbeitrag: Um die Folgen der erwarteten Steuerausfälle für die finanzschwachen Kantone abzufedern, erhalten die ressourcenschwächsten Kantone während sieben Jahren einen Betrag von insgesamt 180 Millionen Franken pro Jahr.
Die STAF enthält zudem drei Elemente, von denen die AHV finanziell profitieren würde:
- Lohnbeiträge: Der AHV-Beitragssatz soll um 0,3 Prozentpunkte (je 0,15 Prozentpunkte für Arbeitnehmer und Arbeitgeber) erhöht werden.
- Demografieprozent: Das Demografieprozent der Mehrwertsteuer, das seit 1999 erhoben wird, soll vollständig der AHV zugewiesen werden. Heute gehen davon 17 Prozent nicht direkt an die AHV, sondern an den Bund, der damit seinen Anteil an den AHV-Ausgaben finanziert.
- Bundesbeitrag: Der Bundesbeitrag an die AHV von heute 19,55 Prozent soll erhöht werden auf 20,2 Prozent der AHV-Ausgaben. I
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